Angst ist für das Überleben wichtig. Das weiß jeder. Wer nicht im Angesicht eines frei herumlaufenden Tigers bei drei auf den Bäumen ist, wird gefressen werden. Er muss aber noch so viel denken können das er die Bäume als Rettung aufsucht und nicht ins freie Gelände flüchtet, wo ihn der Tiger leicht einholen kann. Wer sich also wegen unkontrollierbarer Angst nicht adäquat entscheiden kann, wird gefressen und kann sich nicht mehr fortpflanzen… Also kann man sagen, alle unsere Vorfahren, die nicht flexibel genug waren die Angst bzw. Stressreaktion kontrollierbar zu machen sind ausgestorben.
Schauen wir uns erst mal Angst an. Angst ist eine starke Emotion auf die der gesamte Organismus antwortet. Angst entsteht durch eine Bedrohung die von außen kommt oder durch körperliche Veränderungen (Schmerz etc.) oder Befürchtungsgedanken, die sich entweder auf das „Außen“ beziehen oder auf die innere Wahrnehmung(z. B. Gesundheit ).
Der Organismus antwortet auf Angst mit der Bereitstellung aller Ressourcen, mit einer erhöhten Wachsamkeit.(Wann kommt Angriff, Verteidigung, Verstecken?) und fieberhaftem Nachdenken um das Problem zu lösen. Es handelt sich also um einen Zustand höchster Anspannung. Ich werde für diese allerhöchste Anspannung den Begriff Stressreaktion benutzen.
In der Evolution tritt die Stressreaktion bei allen Lebewesen immer dann auf, wenn lebensbedrohliche Veränderungen in der Außenwelt entstehen.
Wenn aus der einmaligen Belastung Dauerstress wird, brennen irgendwann die Sicherungen durch. Dauerstress führt zu Untergang- entweder durch stressbedingte Erkrankungen (Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Essstörungen, Schlafstörungen, Erkrankungen des Verdauungstraktes)- Stresshormone unterdrücken die körpereigen en Abwehrkräfte. Oder es kommt zu stressbedingter Unfruchtbarkeit.( Stresshormone unterdrücken die Produktion der Geschlechtshormone).
Man kann sagen, dass alle Kreaturen, die kein Rezept gefunden haben, die andauernde Notfallreaktion der ihr Gehirn und Körper ausgesetzt war kontrollierbar zu machen ausgestorben sind.
Insofern ist es verständlich das wir Menschen, die wir hier und heute leben eine beträchtliche Sensibilität für bedrohliche Situationen ererbt haben aber auch die dazugehörige Flexibilität und Nervenstärke immer wieder eine Lösung zu finden..
Es kommt also darauf an das Angst kontrollierbar ist. Das heißt sie haben nur so viel Angst wie wirklich benötigt wird um hellwach zu sein und voll konzentriert.
Normale Angst hat eine Alarmfunktion und soll Aktivitäten zur Beseitigung von Gefahr auslösen.
Pathologische Angst lähmt körperliche und geistige Funktionen. Der von Angst geplagte Mensch kann nicht auf seine gelernte Strategien zurückgreifen.
Angst und Panikstörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. 17 % Lebenszeitprävalenz.
Angstsyndrome treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern. Das kann auch damit zusammenhängen, dass Frauen ab ihrem ersten Kind keinen so tiefen Schlaf wie vor der Geburt ihres Kindes haben. Sie müssen ja immer mit einem Ohr mithören, ob es dem Kind auch gut geht. Diese erhöhte Vigilanz im Vergleich zu Männern bleibt oft ein Leben lang. Möglicherweise begünstigt diese erhöhte Wachsamkeit das Auftreten von Angsterkrankungen.
Es gibt mehrere Theorien wie es zu Angsterkrankungen kommt
Modelllernen:
Man hat es sich als Kind abgeschaut von seinen Eltern oder anderen Bindungspersonen, die eine bedeutsame Rolle im Leben des Kindes gespielt haben. Menschen lernen immer von anderen Menschen. Wenn ein Kind keinen Menschen in seinem Umfeld hätte, wäre es noch nicht einmal in der Lage sich über Mimik auszudrücken. Ja es hätte nie laufen gelernt, denn alles was wir Menschen können haben wir von anderen Menschen gelernt.
Konditionierung:
Phobien entstehen durch den Zeitgleich entstehenden Angstzustand und dem Auftreten eines äußeren Reizes, Wie eine klassische Konditionierung. Es handelt sich sozusagen um einen Lernvorgang. Die Angst ist da und zeitgleich sieht der betreffende eine Spinne. Fortan ist der Anblick einer Spinne der Auslöser für die Angst.
Genetische Disposition:
Es soll eine genetische Disposition geben (Wobei man das Angst-Gen noch nicht gefunden hat). Es handelt sich also um eine Annahme.
Wenn es zu einem Zusammenspiel psychischer und körperlicher Faktoren kommt, entsteht der sogenannte Angstkreislauf:
Angstkreislauf:
Auslöser sind Gedanken oder körperliche Veränderungen
Diese Wahrnehmung lässt den Gedanken entstehen, das Gefahr droht
Es entsteht Angst
Dadurch kommt es zu körperlichen Veränderungen
Es entstehen Symptome ( Zittern, Schweißausbruch, Herzklopfen, Harndrang, Stuhldrang)
Die Symptome werden ihrerseits wieder zum Auslöser
Angst
Erwartungsangst
Vermeidungsverhalten
sozialer Rückzug /Vereinsamung
Angststörungen chronifizieren ohne Therapie!!!
Ganz gefährlich ist auch, wenn Betroffene sich Beruhigungsmittel und Schlafmittel vom Arzt verschreiben lassen um wieder ein halbwegs normales Leben leben zu können. Alle Beruhigungs- und Schlafmittel machen schnell abhängig. Sie ohne ärztliche Unterstützung selbst abzusetzen ist sehr gefährlich!
Delirgefahr!
Zudem belasten sie die Verdauung. Es kommt zu Problemen beim Abführen. Was meinen Sie warum in der Fernsehwerbung so oft die Rede von Beruhigungs- und Abführmitteln ist?
Aber, ob sie nun eine physiologische also normale Angst empfinden oder ob sie Angst auf Grund einer Angsterkrankung erleben. Was ihnen auf jeden Fall helfen wird ist Entspannung!
Schauen wir uns einmal das vegetative Nervensystem an. Es besteht aus dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Beide Anteile arbeiten in einer Wechselwirkung für den Organismus.
Ich erkläre das gerne mit dem Begriff Zwei-Zügelsystem:
Stellen sie sich vor, sie sitzen auf einem Pferd und haben in ihren beiden Händen die Zügel um zu Lenken. Den linken Zügel nennen wir Sympathikus, er steht für Angriff, Verteidigung, Angststarre. Er wirkt auf die Muskulatur, stellt schnell Ressourcen zur Verfügung. Blutdruck steigt, Herzfrequenz steigt, Durchblutung steigt an und die Atemfrequenz. Den rechten Zügel nennen wir Parasympathikus. Er hat die Aufgabe den Blutdruck zu senken, genauso wie Herzschlag und Atemfrequenz. Er ist auch zuständig für Verdauung und Regeneration und Schlaf.
Wenn sie geradeaus reiten wollen, müssen sie die Balance zwischen beiden Zügeln halten. Kommt es jetzt zu einem angstauslösendem Ereignis (z.B. ein lautstarker Unfall in ihrer Nähe oder in Angstauslösender Gedanke durch eine Erinnerung verursacht), wird sich das Pferd nach links abwenden. Sympathikus – Flucht !
Wenn sie jetzt nicht im Kreis laufen wollen ( Angstkreislauf)müssen sie den rechten Zügel bedienen. Sie sollten gelernt haben sich bewusst zu entspannen.
Sie können sich entspannen, weil sie es durch Entspannungstraining gelernt haben
Wären sie gerne jetzt entspannt? Könnten sie sich vorstellen, eine kleine Entspannungsübung gemeinsam zu machen?
Es geht schnell –ein paar Minuten reichen
Es ist effektiv
Es ist überall zu machen
Es geht im Stehen, im Sitzen, im Liegen und sogar im Gehen
Achtsamkeitsübung im Sitzen
Nehmen sie eine für sie ganz und gar angenehme Haltung ein, so dass sie ein Weile gerne in dieser Position bleiben können. Ich lade sie nun ein wahrzunehmen wo ihr Körper Kontakt hat. Sie werden ihre Fußsohlen spüren die den Boden berühren. Ihre Oberschenkel und der Po, mit denen sie die Unterlage spüren, auf der sie sitzen. Vielleicht auch der Rücken, wenn sie sich anlehnen, von der Rückenlehne gestützt. Sie werden vielleicht noch Oberarme und Unterarme dort wahrnehmen wo sie den Körper oder eventuell Armlehnen berühren. Vielleicht auch die Hände auf den Oberschenkeln liegend. Nehmen sie Überall, wo Ihr Körper Berührung hat diesen Kontakt wahr. Und hierbei gibt es nicht falsch oder richtig zu machen. Es geht darum bewusst und ohne Bewertung zu registrieren. Alles was ihnen durch den Kopf gehen mag ist völlig in Ordnung.
(Pause)
Jetzt bitte ich sie wahrzunehmen das Ihr Körper atmet und das er dabei Bewegt wird. Nehmen sie diese Bewegungen wahr. Das Heben und Senken des Brustkorbes und das auch die Bauchdecke sich hebt und senkt.
(Pause)
Und vielleicht können sie auch wahrnehmen das die beiden Nasenflügel sich ganz leicht bewegen. Auch hier geht nur um das Beobachten ohne jede Beurteilung.
Nehmen sie diese Bewegungen beim Atmen einige Augenblicke wahr.
(Pause)
Beenden sie diese Übung indem sie wieder bewusst wahrnehmen wo ihr Körper Kontakt hat.
Kehren sie jetzt wieder bewusst in den Raum zurück in dem sie sich aufhalten und nehmen sie ganz bewusst Größe des Raumen, Farben und Gegenstände wahr.
Jetzt sind sie vermutlich aus ihrer inneren Betriebsamkeit für einen Moment ganz im Hier und Jetzt gelandet.
Wer von ihnen vor der kleinen Übung, die wir gerade gemacht haben gestresst war, hat seinen Stresslevel sicher etwas herunterfahren können.dazu sagen, Entspannung ist trainierebrauchen etwas schweres anzuheben,
Doch es ist erlernbar. Im Sportmentaltraining gibt es für Leistungssportler eigens den Bereich des Entspannungstrainings.
Weil, je effektiver entspannt zum richtigen Zeitpunkt, desto mehr Leistungsanstieg.
Es kommt also nicht nur auf anstrengendes Training an (analog dazu viel und langes Arbeiten)- führt zum Burnout im Sportbereich und im Arbeitsleben! (siehe Stressbedingte Erkrankungen), sondern, ebenso wichtig ist effektive Entspannung ( Erholung und Schlaf) Beim Sportler finden die Stoffwechselvorgänge, die die Muskulatur wachsen lassen in der Ruhephase statt. ( Auch der Abbau von Laktat findet in der Erholungspause statt, bis zu 70 % bei 30 min tiefer Entspannung)
Genauso verhält es sich mit dem Nervensystem. Wenn das Gehirn viele Eindrücke verarbeiten muss auf Grund von Stress und Angst, muss die Erholung optimal sein, damit das Gehirn aus der unkontrollierten Stresssituation durch erlernen von Strategien eine kontrollierte machen kann.
Die Belohnung nach Stress und Angst die kontrolliert abläuft, und damit meine ich die bewusste Beruhigung, diese Belohnung sind körpereigene Opioide, die sogenannten körpereigenen Belohnungssubstanzen.
Durch die Ausschüttung dieser Opiode im Gehirn, stellt sich nach dem durchgestandenem Stress ein wohliges Gefühl ein. „ Ich habe es geschafft!“
Bei Angsterkrankungen schaltet sich zwischen dem Überstehen der angstauslösenden Situation und der Opioidausschüttung ein Bindungserleben.
Damit ist gemeint: Der Betreffende bekommt in einem öffentlichem Verkehrsmittel eine Panikattacke. Es wird im übel , er hat Herzrasen. Ein hilfsbereiter Passagier kümmert sich um ihn und hilft ihm aus dem Zug. Angst - Bindung –Opoidausschüttung
Oder: Der betreffende hat Angst den Zug zu nehmen. Eine Bindungsperson (Ehepartner, Freund etc.) sagt ihm. Ich fahr Dich! Angst- Bindung- Opioid
Das ist der sogenannte sekundäre Krankheitsgewinn.
Die Unterstützung der Bezugspersonen sind so nährend, das sie das aufrechterhalten der Angsterkrankung unterstützen, obwohl ja der Betreffende leidet.
In der Regel ist das den Betreffenden nicht bewusst. Wenn es da zur Klarheit kommt ist die Bereitschaft therapeutisch zu arbeiten schon ganz anders.
Kommen wir wieder zurück zum Thema Selbstregulation..
Es gibt ein ganz bestimmtes Erregungsniveau, das der amerikanische Therapeut Daniel Siegel Lernfenster nennt.
Stellen sie sich eine Nulllinie vor. Oberhalb davon eine Skale mit dem maximalen Wert PLUS 10
Unterhalb der Nulllinie den maximalen Wert von MINUS 10.
PLUS 10 bezeichnen wir als Panik.
MINUS 10 als tiefste Depression
Das Lernfenster befindet sich im Bereich PLUS 5 zu 0 bis hin zu MINUS 5.
In diesem Bereich sind sie fähig Probleme als Aufgaben zu sehen und zu lösen. Darüber und darunter ist der Zugang zu Ressourcen und Kreativität versperrt. Es kann kein Weg aus der belastenden Situation gefunden werden. Der Betreffende befindet sich in einem Zustand des Überdauerns. Er wünscht sich der Zustand möge aufhören. Er empfindet sich als fremd in dieser Welt oder seine Umgebung und seine Mitmenschen kommen ihm fremd vor.
Es ist also wichtig, wenn man von Angst und Stress geplagt ist, sich immer wieder in ein mittleres Erregungsniveau zu bringen.
Und hier helfen:
1. körperliche Entspannungsverfahren
2. emotionale Entspannungsverfahren
3. psychische/mentale Entspannungsverfahren
1. Sauna, Sport, Wärme (Badewanne), Rotlicht, Massage etc., Yoga
2. Feuer anmachen und hineinsehen, mit lieben Menschen Zeit verbringen, schöne Musik hören, sich in schöner Umgebung aufhalten
3. Meditation, Achtsamkeit, Traumreisen, Yoga
Genauso wichtig ist es natürlich bei depressivem Erleben sich zu aktivieren um in einem mittleren Spannungsniveau zu sein. ( Das erzähle ich dann zu einer anderen Zeit)
Entspannung kann man auch konditionieren..Es lässt sich also nicht nur Angst konditionieren(siehe Phobie), sondern auch Entspannung…
Haben sie schon einmal im Fernsehen ein Wimbleton-Spiel verfolgt. Man kann beim Tennis schön sehen, wie sich der Spieler in der Pause das Handtuch über den Kopf zieht. In dem Handtuch ist je nach dem ein Aktivierungsduft oder ein Entspannungsduft.
Sportler, die vor dem Wettkampf Kopfhörer aufhaben nutzen Entspannungsmusik, wenn sie runterfahren wollen und Aktivierungsmusik, wenn kurz vor dem Start sind.
Genauso benutzen Sportler Entspannungsbilder, die sie visualisieren oder auch auf dem Handydisplay anschauen, genauso, wie sie ein Aktivierungsbild bei Bedarf anschauen oder visualisieren.
Bringen sie sich durch eines der Entspannungsverfahren in einen entspannten Zustand und riechen sie dann an ihrem Entspannungsduft. Das kann Lavendel, Orange oder Melisse sein. Analog dazu können sie im Entspannungszustand ihre ruhige Lieblingsentspannungsmusik hören oder Ihr Lieblingsentspannungsbild ansehen und sich mit allen 5 Sinnen hineinversetzen.
Jetzt brauchen sie sie nur noch bei Bedarf den Trigger benutzen. Am Entspannungsduft riechen wenn sie sich gerade aufregen.
So in diesem Sinne… Immer fleißig Entspannung trainieren und Achtsamkeit üben..
Und lassen sie sich helfen….
Quellenangabe: Gerald Hüther –Bedienungsanleitung für rein menschliches Gehirn-Die Macht der inneren Bilder-Biologie der Angst V&R Verlag - ISBN978-3-535-40451-5
Luise Reddemann-Imagination als heilsame Kraft - Hör CD - Klett-Cotta
Daniel J. Siege l- Der achtsame Therapeut – Kosel Verlag - ISBN 978-466-30924-5
Psychiartrie und Psychotherapie Thieme Verlag – ISBN 978-3-13-128544-7